32 lange, blutige und grausame Jahre

Die „Mission mit dem Schwert“ des Frankenkönigs Karl.

Es sind die sogenannten Sachsenkriege: 32 Jahre dauerten sie an, von 772 bis 804 n. Chr. Nahezu unversöhnlich standen sich die beiden Kontrahenten gegenüber, die Franken und die Sachsen. Von den Sachsen und ihrer Bedeutung für unsere Region haben wir schon zuvor gehört.

Im Grunde kämpfte hier die „Weltmacht“ des Frankenreiches gegen das „Naturvolk“ der Sachsen. Wie in Jahrhunderten zuvor die Römer über den Rhein bis zur Weser vorstießen, weil dieses der politischen und militärischen Logik eines Großreiches entsprach, so griff der König der Franken, Karl (später „der Große“ genannt und ab 800 mit dem Kaisertitel versehen), die Sachsen an. Wieder kämpfte ein in jeder Hinsicht unterlegenes Volk, vor allem was die militärische Ausbildung und Organisation angeht, um seine Freiheit gegen eine Weltmacht. Karls Reich erstreckt sich von der Nordsee bis nach Italien, von Spanien bis nach Ungarn. Gemessen an den Möglichkeiten des Sachsen, die militärisch nicht straff organisiert waren, konnte Karl aus dem Vollen schöpfen und immer wieder neue Kräfte gut ausgebildeter Kämpfer ins Feld schicken. So muss man sich wundern, dass die „Bauernarmee“ der Sachsen überhaupt so lange Widerstand leisten konnte.

In Karls Reich hatten alle Menschen das Christentum angenommen. Für Karl und für den Zusammenhalt des riesigen Reiches der Franken war dieses sehr wichtig, weil das Christentum gleichsam die geistig-kulturelle Klammer war, die die unterschiedlichen Völkerschaften in diesem gewaltig großen Herrschaftsbereich, der von den Franken dominiert wurde, zusammen hielt.

Die Sachsen - von Natur aus wild?

„Es war der langwierigste, grausamste und blutigste Krieg, den die Franken jemals geführt haben. Denn die Sachsen waren wie fast alle germanischen Stämme von Natur aus wild, zudem Heiden, gesetzlos, ungebunden.“ So urteilt der Geschichtsschreiber am Hofe Karls, Einhard, über die Sachsen. Es erübrigt sich, dazulegen, dass Einhard bedingungslos einseitig war.

Nur noch das Volk der Sachsen sperrte sich zunächst hartnäckig gegen jede christliche Missionierung und politische Eingliederung in das Frankenreich. Es gab aber bereits vor den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Karl und dem Sachsenland Menschen, die sich dem Glauben an Christus geöffnet hatten. Ein Indiz dafür sind die Pfarrgemeinden, deren Patron der Hl. Kilian ist. Kilian war und ist Patron des Bistums Würzburg, das seinerzeit, in einem der Kerngebiete Frankens liegend (Mainfranken), bereits Missionierungen an der Südgrenze Sachsens bzw. des Engern- und Westfalenlandes durchführte.

Die von Würzburg aus gegründeten Pfarreien erhielten vorzugsweise den Hl. Kilian als Patron. In unserer Region sind in diesem Zusammenhang Löwen, Welda und Helmern zu nennen. Es ist aber festzustellen, dass dies relativ kleine Gruppen von Sachsen waren, die sich dem Christentum schon sehr früh zugewandt haben. Das Volk der Sachsen hing ansonsten nach wie vor dem althergebrachten germanischen Götterglauben an.

Für Karl, den Herrscher über West-, Süd- und große Teile Mitteleuropas, war dies unerträglich. Wie konnte sich nur ein aus seiner Sicht so aufsässiges und selbstbewusstes Volk, wie es die Sachsen waren, seinen Großmachtplänen widersetzen? Karls Traum und kriegerisches Streben war es, ein Reich wie das der Römer einige Jahrhunderte zuvor zu schaffen. Dass die Sachsen ihm die Stirn boten, erinnert an die Situation wie sie zur römischen Zeit bestand, als die Cherusker und ihre Verbündeten sich widersetzten. Hier zeigen sich Parallelen: Großmachtstreben der Römer einerseits und der Franken andererseits. Gegner waren jeweils Stämme im Norden und Nordwesten unseres Vaterlandes.

Ein erbarmungsloser Krieg

Karls Krieg gegen die Sachsen in Kurzform: Im Jahre 772 zieht der Frankenkönig mit einem großen Aufgebot vor die Eresburg an der Diemel (Obermarsberg), ein starke Festung im Süden des Sachsenlandes und erobert diese. Die Irminsul, wohl ein heiliger, besonders mächtiger und hoch gewachsener Baum, möglicherweise auch eine hölzerne Säule, Heiligtum der Sachsen, wird zerstört, der zugehörige heilige Hain verwüstet. Der Standort der Irminsul wird sowohl von Obermarsberg als auch von der Iburg/Bad Driburg beansprucht.

Von der Eresburg aus zieht Karl an die Weser und durchquert also unseren Heimatbereich. Herstelle war für ihn und sein Heer ein bevorzugter Platz, um zu überwintern. Damit war der Religionskrieg eröffnet und die sogenannte Schwertmission gegen die Sachsen nahm ihren Lauf.
Von 775 bis 780 wird der Krieg gegen die sich tapfer wehrenden Sachsen fortgesetzt. Massentaufen sächsischer Menschen werden von den Franken erzwungen, so an den Quellen der Lippe, im heutigen Bad Lippspringe. Wie schon festgestellt, waren die Sachsenkrieger in allen Belangen unterlegen – nur nicht in Sachen Mut, Aufopferung und Freiheitswille sowie Durchhaltevermögen.

Das Naturvolk gegen professionelles Militär

Einige Anmerkungen zur Bewaffnung der Sachsenkrieger und ihrer Kampfesweise sind angebracht. Die Hauptwaffe war der Sachs, ein kurzes Schwert, dessen Klinge nur an einer Seite scharf geschliffen war. Für den Nahkampf war diese Waffe geeignet. Nach Schilderungen des römischen Geschichtsschreibers Tacitus gehörten zur Bewaffnung noch ein Wurfspeer mit Widerhaken (Frame) und ein Schild. Tacitus schreibt wörtlich: „Die Fußkämpfer schleudern auch kleine Wurfgeschosse, jeder einzelne mehrere, und zwar ungeheuer weit. Dabei gehen sie (fast) nackt oder tragen nur einen leichten Umhang, der sie nicht in der Bewegung hindert. Sie prunken nicht mit Waffenschmuck, sondern bemalen nur ihre Schilde mir ausgewählten Farben. Nur wenige tragen einen Panzer, kaum jemand einen Helm aus Metall oder Leder.“

Diese sächsischen Krieger waren eine reine Laienarmee, bestehend aus der Landbevölkerung. Etwas anderes hatten die Sachsen auch nicht aufzubieten, denn das Leben in Städten oder stadtähnlichen Siedlungsformen lehnten sie ab. Diese Krieger hatten auch keine besondere Schlachtordnung, sondern stürmten ungestüm, je nach Lage aus einem Hinterhalt kommend dem Feind entgegen. Nur in Kriegszeiten wählten sie einen Anführer – einen der vor dem Heer her zog: daraus entstand die Benennung Herzog.

Ganz anders die Franken. Sie konnten auf ein ungeheures Potential an Menschen im europäischen Raum zurückgreifen. Ein stehendes Heer hatten sie bereits aufzubieten und damit trainierte und in der Kriegsführung geschulte Kämpfer. Ihre Bewaffnung war ausgezeichnet und auf dem neuesten militärischen Stand. Reserven standen ihnen jederzeit zur Verfügung. Das Ungleichgewicht zwischen sächsischen und fränkischen Kriegern konnte größer nicht sein.

Trotz allem – die Sachsen wehrten sich kampfesmutig und verzweifelt zugleich. Als ihr Land nahezu total besetzt ist und fest in der Hand der Franken zu sein scheint, ist es einer ihrer Anführer, der zum Aufstand gegen die Besatzungsmacht insgeheim Kräfte um sich sammelt. Es handelt sich um den legendären Sachsenherzog Widukind. Einrichtungen der Franken gehen in Flammen auf, auch Kirchen und Kapellen, sogar die von Karl gegründete Kirche an den Quellen der Pader wird verwüstet.

Verden an der Aller - alles andere als ein Ruhmesblatt

782 vernichten die Sachsen sogar ein fränkisches Heer am Süntel unweit vom heutigen Hameln. Karls Wut kennt keine Grenzen. In dem berüchtigten Strafgericht zu Verden an der Aller lässt er rund 4.000 Sachsen hinrichten. Historisch ist dieses Ereignis allerdings umstritten, es gibt Historiker, die es anzweifeln, da bis jetzt keine Spuren dieses Verbrechens gefunden werden konnten. Sachsen in erheblicher Zahl werden aus ihren Stammlanden vertrieben, zwangsumgesiedelt und in fernere Lande verschleppt oder versklavt. Die Übermacht der Franken führt schließlich zur totalen Unterwerfung der Sachsen. 785 lässt sich Widukind in Attigny (im heutigen Frankreich) taufen. Von ihm berichtet fortan keine Geschichtsquelle mehr. Die Sachsen müssen sich unter Androhung von Todesstrafen allesamt taufen lassen, huldigen aber noch lange zu einem großen Teil insgeheim ihren alten Göttern. 804 enden die letzten Aufstandsversuche der Sachsen. Karl hat auf seine Weise gesiegt und christianisiert.

Innere Mission statt Schwertmission

Die „Schwertmission“ widerspricht dem Geist und der Idee des Christentums. In Karls Umgebung gab es einige Gelehrte und Theologen, die es sich auf Grund ihrer herausragenden Stellung am Hofe des Königs und Kaisers leisten konnten, Karl auf seine sehr zweifelhaften Methoden der Christianisierung hinzuweisen, wie der Angelsachse Alkuin.

Hohes Lob gebührt dem Sohn und Nachfolger Karls, Ludwig dem Frommen (814-840). Sein Name war sein Programm. Er sorgte für eine innere Mission, soll heißen: er tat alles, um die Seelen der Sachsen zu erreichen, ihnen das Wesen des Christentums nahe zu bringen – ohne Gewalt. Die Kraft des Wortes, des neutestamentlichen Wortes, kam nun zum Tagen. Klostergründungen und die seelsorgerische Tätigkeit der Mönche wirkten sich positiv aus, wie etwa das segensreiche Wirken des 822 gegründeten Klosters Corvey an der Weser, dessen erster Gründungsversuch 816 im Solling (Kloster Hethis) auf Grund klimatischer Bedingungen und ungünstiger Bodenverhältnisse scheitern musste.

Die innere Not des Sachsenvolkes

Die innere Not des Sachsenvolkes, das zwischen Festhalten an der althergebrachten germanischen Götterverehrung und dem Christentum schwankte, hat in unübertrefflicher Weise Friedrich-Wilhelm Weber in seinem Versepos „Dreizehnlinden“, dessen Handlung im benachbarten Nethegau abläuft, dargestellt und verarbeitet.

Einige Strophen aus dem Kapitel „Auf der Dingstätte“ seien hier zitiert. Sie geben sehr eindringliche Kunde von der Situation der Sachsen, die vom überlieferten Glauben an die Götter nicht auf Anhieb lassen können und verdeutlichen andererseits die Verzweiflung, die mit ihrer fatalen Situation nach der Unterwerfung einhergeht:

Elmar sprach: „Des Götzendienstes
Zeiht er mich vor Ring und Dinge:
Trügt ihr's, so ich frech zu höhnen
Euern Gott mich unterfinge?

Wo ich mich in Demut beuge,
Darf ein Tor nicht ruchlos schelten:
Was euch heilig, will ich achten;
Was mir heilig, lasst es gelten!

Euern Priestern, euern Mönchen
Zins und Zehnten gab ich willig;
Sprecht, was habt ihr uns gegeben? -
Lasst uns atmen, das ist billig!

Nein, ihr braucht sie nicht zu dulden,
Menschenrechte müsst ihr ehren!
Erstes Recht ist Recht zu beten,
Und das darf kein König wehren!

Wisst ihr Bessres? Dünkt euch besser,
Was man nur mit Schwert und Gluten
Pred'gen mag den Hoffnungslosen,
Die verhungern und verbluten?