Eissen – Name für ein Dorf mit sehr unterschiedlicher Schreibweise

In den geschichtlichen Epochen finden wir die unterschiedlichsten Schreibweisen des Ortsnamens. Es beginnt im Frühmittelalter mit dem Anlaut A bzw. Ai. Aieshusun ist die älteste Form, gefolgt von Aeissun, auch Agissun und Agissen sind zu finden. Dann registrieren wir einen Wechseln vom Anlaut Ai bzw. Aei hin zu Ey und Ei. Wir lesen dann in alten Urkunden Eysne, Eyessen, Eisne, Eisnen, Eyhsen, Eihsen, Eißen und enden schließlich bei der heute gebräuchlichen schriftlichen Form Eissen.

Zwischendurch aber müssen wir uns in einer Corveyer Überlieferung des 12. Jahrhunderts mit der Benennung „Heisten“ auseinandersetzen. Es gibt eine Reihe wichtiger Indizien dafür, dass mit Heisten unser Eissen gemeint ist (später mehr dazu).

Wie kommt es zu den unterschiedlichen schriftlichen Darstellungen? Das aus dem Doppellaut Ai schließlich Ei wurde, ist nicht weiter verwunderlich. Jedoch geben die sehr unterschiedlichen Formen Rätsel auf. Wir haben zu bedenken, dass es bis ins späte Mittelalter und sogar bis in die frühe Neuzeit hinein keine festgelegten Schreibnormen gibt. Das gilt nicht nur für den Ortsnamen: Man schrieb nach der Lautung eines Namens. Wie man ein Wort, einen Namen hörend wahrnahm, so schrieb man ihn nach eigenem Gutdünken auf. Die Mönche in ihren Schreibstuben und Schreibwerkstätten bekamen beispielsweise von einem Mitbruder den Namen eines Ortes genannt, über den es etwas zu berichten gab, nahmen die Lautfolge über das Gehör auf und setzten es nach ihrem Lautgefühl um in eine, wie sie meinten, angemessene Schreibweise, die den Lauten bzw. der Lautfolge entsprach. Für den Geschichtsforscher tauchen hier häufig Probleme auf, die wahre Identität des Ortes zu ermitteln.

Der Ortsname Eissen – kann man ihn erklären?

Wir hörten eben bereits von dem Ortsnamen Aieshusun für Eissen, so gebraucht im Kloster Corvey. Die Endungen -hus, -husun, -huso, -husen, -hausen sind von der Bedeutung her gleich zu setzen. Diese Endung weist auf die Besiedlung eines Wohnplatzes (späteres Dorf) in sächsischer Zeit hin. Solche Orte sind in aller Regel in der Epoche nach der sächsischen Landnahme (siehe dort) entstanden oder waren zu diesem Zeitpunkt schon existent. Dieses bedeutet, dass es Eissen schon in diesem Zeitraum gegeben haben muss.

Aus der Endung -husen, -hausen etc. ist durch schnelles Sprechen schließlich die verkürzte Endung -sen entstanden oder auch -sun, wie bei Aeissun (siehe Helmarshausen). So auch bei Eissen. Das erste S der zwei S-Laute gehört nicht zu hausen/sun, sondern zum Stammwort Aieshus.

Wir haben in unserem Umfeld treffliche Beispiele für diese Entwicklung. So ist aus Niehusen Niesen geworden. Umgekehrt sagen wir zu Schweckhausen, wo sich also das -hausen erhalten hat, in der Alltagssprache Schwecksen. Hier ließen sich noch viele andere Beispiele anführen (Frohnhausen, Frohnsen etc.).

In Ost- und Südwestfalen ist das Grundwort -hausen von der Bedeutung her ein aus mehreren Höfen oder aus einem (eventuell adligen) Haupthof nebst mehreren Nebenhöfen bestehender Wohnsitz, also eine Ansammlung von Häusern.

Im Falle einer Nennung, nämlich im Kloster Helmarshausen (siehe später), ist von „Villa Aeissun“ (= Eissen) die Rede. Das vorgestellte Wort Villa (heute = repräsentatives Wohnhaus) kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Haus auf dem Lande, Landgut, ländlicher Besitz, Ansammlung von mehreren Häusern auf dem Lande. In Villa aber steckt unser heutiges Wort Weiler (kleine Ansiedlung).

Werfen wir noch einen Blick auf die Endung -heim bei manchen Orten. Das -heim deutet auf eine Entstehung in fränkischer Zeit hin (ab dem 9./10. Jahrhundert). Es kommt aber auch vor, dass ein Ort aus sächsischer Zeit mit entsprechendem Namen in der fränkischen Epoche mit einem -heim am Ende des Namens versehen wurde, auch wenn es zuvor eine eindeutig sächsische Endung aufwies (Pickelsen – Peckelsheim).

Kommen wir zum weitaus schwierigeren Teil, nämlich zur Deutung des ersten Teils des Ortsnamens. Hier hat es in der Vergangenheit schon einige Erklärungsversuche gegeben, die nicht voll befriedigend sind und viele Unsicherheiten hinterlassen. Dennoch – die vorhandenen Überlegungen sind des Nachdenkens wert.

Pfarrer Ostendorf aus Küllstedt bei Göttingen (s. Literatur) ist der Meinung, Aeissun käme von Asigsheim. Asig aber sei eine Anlehnung an den Namen des germanischen Göttergeschlechts, Asen genannt, und also bedeute Asigsheim = Eissen eine Ortschaft, in dem eine Götterheiligtum existiert habe. Letzteres ist schon möglich, zumal wenn man bedenkt, dass der Flurname Hibbeke von „Hillige-Bicke“ herrühren soll und also auch auf einen heiligen Ort verweisen könnte.

Gegen die Version von Ostendorf spricht aber, dass in keiner der vorhandenen Urkunden von Asigsheim/Eissen die Rede ist. Außerdem ist die Endung -heim, wie eben gehört, fränkischer Art und hat mit der Sachsenzeit und also mit der Zeit der Götterverehrung nichts zu tun.

Joseph Rust (s. Literatur) kann dem genannten Deutungsversuch etwas abgewinnen, macht dann aber eine deutliche Einschränkung und sagt: „sie (die Deutung) könnte richtig sein.“

Ich will es trotz allen unsicheren Geländes, auf das man sich hier begibt, wagen, eine weitere Möglichkeit hinzuzufügen. Im Altsächsischen bedeutet ey (ei) Gelände, das an einem feuchten, gewässerreichen Gebiet liegt. Es bedeutet auch Insel (Eiland). Denken wir nur an Nordern-ey, was soviel heißt: Das Auge im Norden, das aus den Fluten (der Nordsee) herausschaut. Im Friesischen wird diese Insel Nordern-oge (Auge im Norden) genannt. Im Englischen bedeutet eye = Auge (die Angeln und Sachsen nahmen beim Übersetzen auf die Insel ihre Sprache mit).

Zurück zu Eyssen/Eissen: Es könnte, bezogen auf die Namensgebung, für unser Dorf folgende Erklärung richtig sein: Eissen entstand nördlich eines feuchten Geländes am Quellteich (Hibbeketeich) und Siek sowie westlich der wasserreichen Niederungen der Eggel und südlich der Wasserläufe, die schließlich den Mühlengraben (und in der Folge die Eggel) bilden. Auch im Westen haben wir einige Quellgründe. Das bedeutet: Eissen entstand auf einem trockenen Fleck, der auf mehreren Seiten umgeben war von feuchtem Gelände. Eissen ist ein „Auge“, das aus einem Feuchtgelände herausragt.

Unabhängig von Erklärungsversuchen dieser Art bleibt festzustellen: Die Menschen haben sich sicherlich anlocken lassen von weitgehend trockenem, da heißt nicht sumpfigen Gelände, das aber auch frisches Quellwasser zu bieten hatte (Quellteich und Siek).